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1. Die »Grundlegung der Psychologie«

Die 1983 erschienene GdP ist ein epochales Werk, und sie ist darin mit dem »Kapital« von Karl Marx vergleichbar. Man wird sie auch in hundert Jahren noch mit Gewinn lesen können. Klaus Holzkamp war der geniale Autor des dicken Buches. Er hätte es jedoch nicht alleine schreiben können, sondern nur vor dem Hintergrund einer entfalteten emanzipatorischen Bewegung innerhalb der akademischen Psychologie. Die »Kritische Psychologie« war das bewusste wissenschaftliche Projekt, der latenten oder manifesten Inhumanität der traditionellen Psychologie nicht ein bloßes »Zerschlagt die Psychologie« entgegenzustellen, sondern sie vermittels von »mehr Wissenschaft« aufzuheben. Das Projekt entsprach damit dem historischen Optimismus, dass die Geschichte und damit Wahrheit und Wissenschaft auf der Seite der nach Befreiung aus bürgerlicher Herrschaft strebenden Bewegungen stehe.

Klaus Holzkamp hat 1977 damit begonnen, die bis dahin vorliegenden kritisch-psychologischen Arbeiten zu integrieren und dabei festgestellt, dass es mit einer einfachen »Zusammenfassung« nicht getan ist. Er sah sich gezwungen, das »gesamte … empirische Material neu durchzuarbeiten« und die »konzeptuellen und methodologischen Grundlagen … neu zu durchdenken« (19). Kritische Psychologie ist eben nicht nur eine bestimmte innerpsychologische »Schule«, sondern hat den Anspruch, »die gesamte Psychologie … auf eine neue wissenschaftliche Basis zu stellen« (19). Der damit formulierte paradigmatische Anspruch wird im ersten Kapitel näher erläutert.

Wichtige Verläufertexte der GdP sind:

  • Klaus Holzkamp, Sinnliche Erkenntnis, Frankfurt/M. 1973
  • Ute Osterkamp, Grundlagen der psychologischen Motivationsforschung, Bd. 1, Frankfurt/M. 1975, Bd. 2, Frankfurt/M. 1976
  • Volker Schurig, Naturgeschichte des Psychischen, Bde. 1 und 2, Frankfurt/M. 1975
  • Volker Schurig, Entstehung des Bewußtseins, Frankfurt/M. 1976
  • Rainer Seidel, Denken — Psychologische Analyse der Entstehung und Lösung von Problemen, Frankfurt/M. 1976

Nach der GdP hat Klaus Holzkamp mit »Lernen. Subjektwissenschaftliche Grundlegung« 1993 eine weitere Monographie verfasst, in der — wenn man soll will — die GdP auf den Gegenstand des Lernens »angewendet« wurde. Insbesondere in den Artikeln zum letzten, methodologischen Kapitel werde ich einige Bezüge herstellen und Beispiele aus dem »Lernbuch« verwenden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

1.1 Die Kapitelstruktur

Die Kapitelleiste in der rechten Spalte soll die Orientierung in der GdP erleichern. Sie erklärt jedoch nicht alles. Es ist sinnvoll, sich einen groben Überblick über den Aufbau der GdP zu verschaffen. Die hier künstlich vorgenommene Abgrenzung der einzelnen Kapitel gegeneinander existiert im Buch in dieser Form nicht. Doch für einen ersten Überblick ist ein wenig Unschärfe hilfreich.

Die neun Kapitel des Buches lassen sich in 4 Bereiche gliedern:

  • Kapitel 1: Fragestellung und Herangehensweise. Hier werden die methodologischen und methodischen Vorklärungen vorgenommen und der Gegenstand der Analyse, das Psychische, bestimmt.
  • Kapitel 2-7: Phylogenese und gesellschaftlich-historische Entwicklung. Der Hauptteil des Buchs zeichnet in einer historisch-rekonstruktiven Kategorialanalyse die Entwicklung des Psychischen bis zum Menschen nach.
  • Kapitel 8: Menschliche Individualentwicklung (Ontogenese). Die Ergebnisse der historischen Kategorialanalyse werden auf die Entwicklung eines individuellen Menschen, der in gesellschaftlich-menschliche Verhältnisse hineinwächst, hin ausgeführt.
  • Kapitel 9: Methodologische Prinzipien aktualempirischer Forschung. Hier werden die praktischen Konsequenzen, die die vorgelegte Analyse haben muss, entwickelt und wiederum methodischen Verallgemeinerungen getroffen.

Den Kern des Buches bilden die Kapitel 2-7, die sich ihrerseits in zwei Bereiche aufteilen lassen:

  • Kapitel 2-4: Psychophylogenese. Funktional-historische Rekonstruktion der Entwicklung des Psychischen in der Phylogenese.
  • Kapitel 5-7: Gesellschaftlich-historische Entwicklung. Gesellschaftlich-historische Rekonstruktion der Entwicklung des Psychischen im Übergang gesamtgesellschaftlichen Vermitteltheit individueller Existenz.

In Kapitel 5 wird ein »Wechsel der Analyseebene« vollzogen. Das ist notwendig geworden, weil sich der gesellschaftliche Mensch nicht mehr phylogenetisch weiterentwickelt, sondern seine Lebensbedingungen und damit sich selbst gesellschaftlich produziert. Die Psychophylogenese wird somit aufgehoben durch die gesellschaftlich-historische Entwicklung.

In den Kapiteln 6 und 7 erfolgt — zeitlich gesehen — ein doppelter Durchgang durch die Entwicklung vor und nach Erreichen der gesellschaftlich-historischen Entwicklung. An dieser Stelle besteht eine gewisse Verirrungsgefahr. Deshalb nehme ich mir die Freiheit die zeitlich parallelen Darstellungen aus Kapitel 6 und 7 zu linearisieren. Ich tue also so, als ob ich von der »Amöbe« bis zum »Menschen« streng linear durch die Zeit gehe. Die Markierung des jeweiligen »Aufenthaltsortes« in der Kapitelstruktur der GdP wird in der Kapitelleiste in der rechten Spalte mit einem roten Rahmen angezeigt.

1.2 Methodisches

Die Kritische Psychologie kritisiert die traditionelle Psychologie auf vier Bezugsebenen (vgl. Abb. 1). Der Sinn der Bezugsebenen ist, sich klar zu machen, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung nicht zu einem Ergebnis führen kann, wenn sich die Kontrahenten bereits über zugrundeliegende Annahmen nicht einig sind. So führt ein Streit auf der einzeltheoretischen Ebene nicht weiter, wenn sich bereits die kategoriale Grundlage unterscheidet. Im Sinne eines ausgewiesenen Wissenschaftsfortschritts geht es dann darum zu der Ebene zu wechseln, auf der tatsächlich der Dissenz liegt.

Abb. 1: Die vier theoretischen Bezugsebenen der Kritischen Psychologie mit dem Schwerpunkt der funktional-historischen Kategorialanalyse.

Die Kritische Psychologie legt mit den vier Bezugsebenen ihre theoretischen Fundamente offen. Es sind dies:

  1. Philosophische Grundlagen: Die Kritische Psychologie bezieht sich auf die materialistische Dialektik des traditionellen Marxismus.
  2. Gesellschaftstheorie: Die Kritische Psychologie bezieht sich auf den historischen Materialismus des traditionellen Marxismus.
  3. Kategorialanalyse: Kategorien sind die Grundbegriffe, wie sie in der GdP entwickelt werden. Hier sieht die Kritische Psychologie ihren wesentlichen Beitrag.
  4. Einzeltheorien: Das sind Theorien über aktualempirische Erscheinungen, die auf Basis des Kategoriensystems entwickelt werden.

Was geschieht nun, wenn ich auf einer der Ebenen einen Dissenz feststelle? Zunächst einmal ist das Ebenenschema und seine offengelegte theoretische Fundierung eine Aufforderung, sich mit den dort formulierten theoretischen Grundlagen auseinanderzusetzen. Es wäre also genau auszuweisen, wo ein Dissenz vorliegt und welche Gründe es für eine andere Sichtweise gibt.

Da es kein Ableitungsverhältnis zwischen den Ebenen gibt, bedeutet eine andere theoretische Sicht — etwa auf der philosophischen oder gesellschaftstheoretischen Ebene — nicht notwendig, dass die entwickelten Kategorien oder Einzeltheorien hinfällg sind. Es wäre jedoch jeweils zu prüfen, an welcher Stelle sich Änderungen ergeben könnten. Darin könnte u.U. auch ein Beitrag zur produktiven Weiterentwicklung der Kritischen Psychologie liegen.

Die Kritische Psychologie ist keine weitere einzeltheoretische Schule innerhalb der Psychologie, sondern sie beansprucht ein wissenschaftliches Paradigma der Psychologie zu begründen. Sie kritisiert an der traditionellen Psychologie den »Mangel an paradigmatisch qualifizierten kategorialen Grundlagen, damit (die) weitgehende Unfähigkeit, über die Gegenstandadäquatheit von Einzeltheorien und -methoden zu entscheiden« (32f). So ensteht das »Kuriosum einer Psychologie ohne Psychisches«, weil es keine wissenschaftlich fundierte Bestimmung des Gegenstands der Psychologie gibt. Sind Gegenstand und die Grundbegriffe unzureichend bestimmt, so lässt sich auch nicht entscheiden, welche Einzeltheorien oder Methoden dem Gegenstand angemessen (adäquat) sind. Das gilt im übrigen für jede Wissenschaft.

Gleichwohl gibt es natürlich Begriffe in der traditionellen Psychologie — und das nicht zu knapp. Diese fassen auch sicherlich irgendetwas von ihrem Gegenstand, nur was und was nicht, ist auf unausgewiesener Grundlage nicht entscheidbar. Die Kritische Psychologie nimmt die tradtionellen psychologischen Begriffe daher als Vorbegriffe, an denen etwas erscheint, das in einem wissenschaftlichen Verfahren erst aufzuklären ist. Zentraler Zugang ist dabei, die historische Gewordenheit des an den Vorgriffen Erscheinenden zu rekonstruieren oder in den Worten der GdP: »durch Aufweis und begriffliche Fassung der im Gegenwärtigen liegenden Historizität« (51). Man versteht, wie etwas ist, wenn man versteht, wie es geworden ist.

Nun wird auch verständlich, was mit »historisch-empirischer Kategorialanalyse« gemeint ist: Das ist Forschung an empirischem Material, das darüber Auskunft geben kann, wie das Psychische in einem geschichtlichen Prozess entstanden ist und sich in der Folge ausdifferenziert hat. Parallel zu diesem real-historischen Ausdifferenzierungsprozess muss sich der begriffliche Ausdifferenzierungsprozess bewegen. Das, was historisch früher entstanden ist, ist das begrifflich allgemeinere, und das historisch spätere ist das begriffliche spezifischere. In der historisch-empirischen Kategorialanalyse werden die Begriffe also nicht bloß definiert, sondern sie werden überhaupt erst inhaltlich bestimmt.

Im Verlaufe dieses inhaltlich rekonstruierten und begrifflich abgebildeten historischen Entwicklungsprozesses (=Genese) des Psychischen werden dann jene Vorbegriffe »eingeholt«, die die traditionelle Psychologie verwendet. Auf diese Weise werden sie in ihrer inhaltlichen Fassung, Geltung und Reichweite diskutierbar und somit selbst zum Gegenstand der eigenen Wissenschaft. Wo erforderlich werden neue Begriffe entwickelt und vorhandene kritisiert bzw. in ihrer relativen Erkenntnismöglichkeit eingeschätzt.

Ausgangsfrage ist, was das »Psychische« eigentlich ist, von dem schon die Rede war. Wie kann die Grundform des Psychischen, die immerhin die gegenstandkonstituierende Kategorie der Psychologie zu sein beansprucht, gewonnen werden? Die Antwort kann auch wieder nur sein, das Psychische selbst als Ergebnis eines historischen vorpsychischen Entwicklungsprozesses zu begreifen. Ausgangspunkt wird also der Lebensprozess selbst sein (Kap. 2), dessen evolutionäres Entwicklungsresultat die neue Qualität des Psychischen ist. Bevor wir aber inhaltlich einsteigen, sei ein weiterer methodischer Vorgriff vorgenommen.

1.3 Der methodische Fünfschritt

In der GdP wird der im folgende vorgestellte »Fünfschritt« erst aus der methodischen Wendung der Entstehung des Psychischen verallgemeinert. Hier sei er vorgezogen, um ihn dann bei der Genese des Psychischen zu verwenden.

Der methodische Fünfschritt ist eine Konkretisierung des dialektischen Prinzips des Umschlags von Quantität in Qualität. Er beantwortet die Frage, wie qualitativ Neues aus einem vorherrschenden Alten entstehen und sich schließlich durchsetzen kann. Es handelt sich um ein retrospektives Vorgehen, bei dem das »Ergebnis« des Entwicklungsprozesses bekannt ist und den Ausgangspunkt bildet, den Werdens- und Durchsetzungsprozess zu rekonstruieren. Folgende fünf Analyseschritte sind zu gehen:

  1. Schritt: Aufweis der Entwicklungsdimension und der Frühformen, die die qualitative Entwicklung vollziehen.
  2. Schritt: Aufweis der objektiven Veränderungen des Außenweltbedingungen, die einen Selektionsdruck in Richtung auf die untersuchte qualitative Entwicklung erzeugen.
  3. Schritt: Aufweis des Funktionswechsel als erstem qualitativem Sprung im Entwicklungsprozess, bei dem die neue Funktion zur bedeutenden, aber noch untergeordneten Funktion wird und noch »im Dienste der besseren Systemerhaltung auf dieser Stufe steht« (79).
  4. Schritt: Aufweis des Dominanzwechsels als zweitem qualitativem Sprung im Entwicklungsprozess, bei dem die früher charakteristische Funktion durch die neue, nun den gesamten Prozess der Systemerhaltung bestimmende Funktion abgelöst wird.
  5. Schritt: Aufweis der Umstrukturierung und neuen Entwicklungsrichtung des Gesamtsystems.

Klaus Holzkamp hat den Fünfschritt aus der Analyse der Genese des Psychischen gewonnen, seinen Geltungsrahmen aber nicht auf die Phylogenese begrenzt. So hält er allgemein eine Differenzierung »bei jedem Entwicklungsprozeß« (424) für notwendig und kommt etwa bei der Untersuchung der Ontogenese darauf zurück. Da der Fünfschritt allgemein den Umschlag von Quantität in Qualität konkretisiert, ist der Fünfschritt bei all jenen Entwicklungsprozessen anwendbar, bei denen auch das dialektische Entwicklungsprinzip aufgezeigt werden kann.

Abb. 2: Der verallgemeinerte methodische Fünfschritt.

Abb. 2: Der verallgemeinerte methodische Fünfschritt

Die in Abb. 2 dargestellte verallgemeinerte Fassung des methodischen Fünfschritts mag dazu beitragen, den spezifischeren Fünfschritt der GdP leichter zu verstehen. Dazu einige Erläuterungen.

1. Keimform

Zunächst geht es darum, sich klar zu machen, was analysiert werden soll — hier gilt es vier Begriffe zu unterscheiden: Was ist das betrachtete System, welches ist die betrachtete Dimension innerhalb des Systems, wie sieht die alte dominante Funktion der betrachteten Dimension aus, und was ist die Keimform (die »Frühform«), die in den Prozess der dialektischen Negation eingeht und später zur bestimmenden Funktion wird. Im Unterschied zur Vorstellung eines Keims, der alle Anlagen bereits enthält und sie nur noch entfalten muss, weist der Begriff der Keimform darauf hin, dass die identifizierte neue Funktion nur der Form nach eine neue Qualität repräsentiert, nicht aber selbst schon diese neue Qualität ist. Erst im weiteren Entwicklungsprozess, in dem die Keimform selbst qualitativ verändert wird, kann sie schließlich ihre spezifische Funktionalität entwickeln, mit der sie sich als neue bestimmende Funktion durchsetzt.

2. Krise

Nur wenn die betrachtete Dimension im analysierten System mit seiner alten Funktionslogik nicht mehr dauerhaft für die Aufrechterhaltung der Systemintegrität sorgen kann, das System also in eine Krise gerät, kann die Keimform aus ihrer Nischenrolle heraustreten. Ursachen für solche Krisen können sowohl von außen wie auch von innen kommen. Veränderungen der Außenbedingungen des Systems und auch die eigene Entwicklung des Systems können zu einem inneren Entwicklungswiderspruch führen. Ein innerer Widerspruch zwischen den Kapazitäten des Systems und veränderten Bedingungen kann durch Entwicklung aufgehoben werden. Überschreitet das Ausmaß der Veränderung der Bedingungen die Kapazitäten des Systems mit »Entwicklung« zu reagieren, kann es zum Kollaps des Systems kommen. Das andere Extrem ist die Stagnation als Fall der Abwesenheit von Widersprüchen. Für den hier betrachteten Entwicklungsschritt ist jene Widerspruchskonstellation bedeutsam, in der der Keimform eine neue Bedeutung zur Lösung der Widersprüche zukommt.

3. Funktionswechsel

Die Keimform tritt aus ihrer untergeordneten und randständigen Bedeutung heraus und gewinnt eine qualitativ neue Funktion für den gesamten Systemprozess. Holzkamp betont die Bedeutung des Funktionswechsels:

»Von größter Wichtigkeit ist dabei, daß bei dem qualitativen Sprung durch Funktionswechsel die dialektische Negation nur im Bereich einerder bestimmenden Funktion der früheren Stufe noch untergeordnetenPartialfunktion erfolgt, quasi im Dienste der besseren Systemerhaltung auf dieser Stufe steht, daß also die qualitativ spezifische Funktion hier noch nicht für den Gesamtprozeß bestimmend geworden ist« (79).

Dies geschieht erst im nächsten Schritt. Zur Betonung der positiven Funktion für den noch nach alter Logik ablaufenden Systemprozess ist die gleichzeitige Inkompatibiltät der nun qualitativ spezifischen Funktion mit der bestehenden bestimmenden Funktion hinzuzufügen. Nur wenn die neue Funktion nicht nur als bloße Erweiterung der Systemkapizität innerhalb der alten Logik in Anspruch genommen und damit absorbiert werden kann, sondern ihre Eigenständigkeit und Spezifik behauptet, die sie im dritten Schritt erlangt hat, kann es zum zweiten qualitativen Sprung kommen.

4. Dominanzwechsel

Die neue Funktion setzt sich durch und löst die alte Weise, die Systemintegrität aufrecht zu erhalten, ab. Damit verschwindet die alte Funktion (zunächst) nicht, sondern im Verhältnis zur neuen dominanten Funktion tritt die alte als vormals bestimmende Funktion zurück. Der Dominanzwechsel setzt notwendig den Funktionswechsel voraus. Es ist niemals so, dass neue Funktionen

»schon bei ihrem ersten Vorkommen für die Systemerhaltung bestimmend sein können, sondern [sie sind] zunächst nur zusätzliche ›spezialisierte‹ Leistungsmöglichkeiten eines in ›konservativer‹ Weise auf der alten Stufe sich erhaltenden Systems… Wenn es hier dennoch zum Qualitätsumschlag der Gesamtentwicklung kommen kann, dann deswegen, weil der Übergang zur neuen Entwicklungsstufe sich nicht auf einer einzelnen Dimension vollzieht, sondern die Umkehrung des Verhältnisses zweier für sich kontinuierlich veränderter Dimensionen darstellt. Eine solche Umkehrung des Verhältnisses zwischen bestimmender und nachgeordneter Funktion als Dominanzwechsel ist, obwohl sich beide Funktionen in der Entwicklung kontinuierlich darauf zu bewegen, selbst nicht kontinuierlich, sondern ein punktuelles Umkippen.« (80)

5. Umstrukturierung

Die Entwicklungsrichtung, Struktur und Funktionslogik des neuen Gesamtsystems ändern sich. Dabei geht es nun darum zu zeigen,

»welche älteren Dimensionen im neuen Zusammenhang funktionslos werden, als auch, wie sich die Funktion früherer Dimensionen neu bestimmt, und wie sich unter der neuen Leitfunktion spezifische strukturelle und funktionale Differenzierungen in der weiteren Entwicklung ergeben« (80).

Das wiederum kann ein neuer Ausgangspunkt eines weiteren qualitativen Entwicklungszyklus werden, womit sich das erreichte neue Entwicklungsniveau zur ersten Stufe im neuen Zyklus wird.

Im nächsten Abschnitt beginnt die inhaltliche Darstellung der Genese des Psychischen. Ihre Darstellung erfolgt entlang des hier allgemein vorgestellten Fünfschritts, der damit am konkreten Beispiel noch einmal illustriert werden wird.