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14.3 Gegenstandsadäquatheit

Abb. 32: Kategorial- und Empiriebezug theoretischer Konzepte.

Es handelt sich um ein Selbstmissverständnis, wenn die Variablen-Psychologie meint, sich mit ihren experimentell-statistischen Methoden auf neutralem Boden zu befinden und ihren Gegenstand, die psychische Lebenstätigkeit, unparteiisch untersuchen (vgl. Kap. 14.2). Tatsächlich ist in den verwendeten Konzepten, Theorien oder Definitionen und somit auch der Festlegung der »Variablen« neben dem Empiriebezug ein nicht ausgeführter Kategorialbezug enthalten (vgl. Abb. 32).

Der Kategorialbezug legt — implizit oder explizit — fest, was erforscht werden soll, wie also der Forschungsgegenstand inhaltlich bestimmt und gegliedert ist. Erst wenn klar ist, womit es die Forschung zu tun hat, kann sinnvoll entschieden werden, wie der so bestimmte Gegenstand untersucht werden kann.

Der Empiriebezug ist der durch den Kategorialbezug strukturierte forschende Zugang zu den vielfältigen wirklichen Erscheinungen. Auf Grundlage eines kategorialen Systems sind unterschiedliche Theorien formulierbar, denn Theorien lassen sich nicht logisch aus Kategorien ableiten (vgl. Kap. 14.1).

Der Kategorialbezug selbst kann empirisch weder bestätigt, noch widerlegt werden, er ist der Empirie vorausgesetzt. Das bedeutet umgekehrt, dass Methoden keineswegs neutral sind, sondern in dem methodischen Herangehen ist bereits eingeschlossen, wie der Gegenstand theoretisch und damit auch implizit kategorial gefasst wurde.

Wenn also etwa ›Lernen‹ als Effekt einer ›Verstärkung‹ definiert wird, so wird damit ein inhaltlicher Zusammenhang formuliert, der einem möglichen Experiment vorausgeht und dieses strukturiert. Im Experiment selbst ist nicht entscheidbar, ob man etwas über Lernen erfährt, da die Frage, was Lernen eigentlich ist, nur kategorial geklärt werden kann. Holzkamp schreibt zu diesem Beispiel zugespitzt:

»…man weiß mithin, obwohl man den aktualempirischen Zusammenhang kennt, über menschliches ›Lernen‹ damit nichts, oder richtiger: Man weiß nicht, kann nicht wissen, was man darüber weiß« (515)

Ein impliziter (verborgener) kategoriale Bezug kann allerdings aufgeklärt und in seinem relativen Erkenntnisgehalt eingeschätzt werden (vgl. nächstes Kapitel).

Ob Methoden dem Gegenstand angemessen sind, lässt sich nur kategorial klären. Die Gegenstandsadäquatheit der Methoden ist das zentrale Kriterium. Daher ist für die Kritische Psychologie eine kategoriale Klärung vorgängig. Die Gegenstandsadäquatheit ist Objektivierungskriterien wie Geltung und Verallgemeinerbarkeit vorgeordnet. Umgekehrt gelte:

»…soweit durch die ›kategorial‹-methodologische Analyse die Gegenstandsinadäquatheit der Methode nachgewiesen ist, ist die Objektivierbarkeit ihrer Resultate definitiv wertlos: Was soll ein noch so optimal nachprüfbares, verifizierbares etc. Resultat nützen, wenn es aufgrund der Inadäquatheit des Kategorialbezugs mit dem zu untersuchenden Gegenstand nichts zu tun haben kann?« (521)

Holzkamp schließt ironisch:

»Wer methodische Objektivierbarkeit als selbständiges oder oberstes Kriterium der Wissenschaftlichkeit unter Ausklammerung der Gegenstandsadäquatheit des Verfahrens etablieren will, der handelt nach der Devise jenes berühmten Betrunkenen, der seinen Schlüssel im dunklen Park verloren hat, aber lieber unter der Laterne suchen will, ›weil es da heller ist‹.« (ebd.)

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